Deutschland entschuldigt sich, endlich!
Die am 28.05.2021 abgeschlossenen Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia sehen u.a. die Bereitstellung von 1,1 Mrd. Euro für Aufbau und Entwicklung in den Regionen der Nachfahren der betroffenen Volksgruppen und Aufarbeitungs- und Versöhnungsarbeit vor. Kritik an den Vereinbarungen, beispielsweise durch Ovaherero Traditional Authority und Nama Traditional Leaders Association, muss aufgegriffen werden. Es ist nun Dialog angezeigt und die aktive Beteiligung auch der namibischen Zivilgesellschaft, insbesondere aus den vom Völkermord betroffenen Gemeinschaften, bei der Gestaltung und Umsetzung der Projekte für Aufbau und Entwicklung. Gleichzeitig müssen diese Maßnahmen mit einer stärkeren Entkolonialisierung auch und insbesondere in Deutschland einhergehen, die bei den noch heute präsenten und auf koloniale Machtverhältnisse zurückgehenden Strukturen ansetzt.
Die Bundesrepublik hat die Verantwortung für die Gräueltaten des Nazi-Regimes übernommen und zumindest versucht, sie aufzuarbeiten. Die Verbrechen des Holocaust sind tief in die deutsche Geschichte eingebrannt und mit nichts in Vergangenheit und Gegenwart vergleichbar, hoffentlich auch mit nichts in der Zukunft!
Doch je weiter man in der Geschichte zurückgeht, umso verklärter werden die Erinnerungen. Dazu gehört die Geschichte der deutschen Monarchie, 1919 von den Aufständischen während der Novemberrevolution verjagt, aber nie völlig beseitigt. Und diese Monarchie ist in mehrfacher Hinsicht mit Blut befleckt, nicht nur in Europa. Auch der Kaiser und seine Vorgänger in deutschen Kleinstaaten wollten sich an den Ressourcen Afrikas, Asiens und des Pazifiks bedienen, einen „Platz an der Sonne“ ergattern, wie es Staatssekretär von Bülow 1897 bei der Kolonialdebatte im deutschen Reichstag formulierte. Mitunter ist zu hören, Deutschland sei ohnehin zu spät gekommen, war nur kurze Zeit Kolonialmacht und im Übrigen, die anderen europäischen Nationen seien viel schlimmer gewesen. Dem war nicht so: Zwischen 1904 und 1908 kamen 80.000 bis 100.000 Menschen, das sind 80 Prozent der Herero und 50 Prozent der Nama, um, weil sie von den sogenannten deutschen Schutztruppen in die Wüste getrieben oder direkt ermordet wurden.
Über Jahrzehnte hat sich die Bundesrepublik geweigert, diesen ersten Völkermord im 20. Jahrhundert als einen solchen zu benennen und anzuerkennen. Erst zum 100. Jahrestag des Völkermords im Jahre 2004 entschuldigte sich Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), die in Namibia an den zentralen Gedenkfeiern teilnahm, für den begangenen Völkermord. Dies war das erste Mal, dass ein Regierungsmitglied sich offiziell für die Massaker an den Angehörigen der Volkgruppen der Herero und Nama entschuldigte. Es wurde als persönliche Meinung heruntergespielt, und es dauerte weitere 16 Jahre, bis sich die Bundesrepublik jetzt endlich als Staat zu diesen Kolonialverbrechen bekennt, es sei aus heutiger Sicht Völkermord gewesen, heißt es nun. Selbst wenn der Straftatbestand im Völkerstrafrecht erst 1948 eingeführt wurde: Es war schon vor 116 Jahren Völkermord!
SODI ist seit seiner Gründung (und durch seinen Rechtsvorgänger, das Solidaritätskomitee der DDR, auch schon vor 1990) durch eine Vielzahl solidarischer Projekte eng mit den Menschen in Namibia verbunden. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich diesen wichtigen Schritt. Es kann jedoch nur ein erster Schritt gewesen sein, weitere müssen folgen!
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