Seine Rechte kennen und sie leben!
„Wenn unsere Männer uns jetzt schlagen, schlagen wir zurück", sagt Kuli, und ihre Sitznachbarinnen kichern. „Nein, nein, ich meine das natürlich nicht wirklich so", beeilt sie sich hinzuzufügen. „Aber wir reden mit ihnen. Wir kennen jetzt unsere Rechte. Wir wissen, dass es ein Gesetz gibt und dass der Mann dafür sogar ins Gefängnis gesteckt werden kann. Wenn er erst mal zwei oder drei Tage drin ist, fängt er schon an zu verstehen."
In den Adivasi-Gemeinden haben Frauen für indische Verhältnisse eine gute Stellung inne. Traditionell lebten die Adivasi in kastenfreien Gemeinschaften. Das große Wissen der Frauen über die natürlichen Ressourcen des Waldes und dessen Heilpflanzen machte sie zu angesehenen Mitgliedern der Gesellschaft und gab ihnen eine Schlüsselrolle in der Versorgung der Gemeinschaft. So lebten die Frauen in den Gemeinschaften emanzipierter als innerhalb des indischen Kastensystems, Zwangshochzeiten und hohe Mitgiften beispielsweise waren bei den Adivasi nicht üblich. Doch als Minderheit sind die Adivasi von Diskriminierungen durch das indische Kastensystem betroffen. Die Umstellung ihrer Lebensweise durch die schwindenden Wälder und die damit einhergehenden Einflüsse der hinduistischen Mehrheitsgesellschaft führten zur schleichenden Änderung der Geschlechterverhältnisse bei den Adivasi.
Auch innerhalb der Gemeinschaft ist Gewalt gegen Frauen ein verbreitetes Problem. In dem Projekt von SODI und CTRD zur Stärkung der Adivasi-Teebauern und -Teebäuerinnen übernehmen die Frauen wichtige Aufgaben und Positionen, vom Anbau bis zur Verarbeitung und Vermarktung. Für Ramaswamy Ranganathen, Direktor von CTRD und selbst Adivasi, ist es selbstverständlich, dass sich die Situation der Frauen auf allen Ebenen verbessern muss. Die Gruppentreffen dienen daher nicht nur dem Austausch über landwirtschaftliche Techniken, sondern bieten auch einen geschützten Raum für die Frauen, um über häusliche Gewalt und Menschenrechte zu sprechen.
Die Realität in der Strafverfolgung in Indien ist jedoch ernüchternd: Viele Gewalttaten werden gar nicht erst angezeigt, denn - so die indische Frauenrechtlerin Saumya Saxena, „wir haben uns so sehr an Übergriffe gewöhnt, dass wir kaum noch unsere Stimme dagegen erheben". Doch auch bei denen, die angezeigt werden, kommt es selten zu einem Prozess. Oft nimmt die Polizei die Frauen nicht ernst, demütigt sie zusätzlich oder ermittelt nur gegen Zahlung von Schmiergeld.
Trotzdem ist es für die Frauen ein erster wichtiger Schritt, über ihre Erfahrungen zu reden und sich so des Unrechts überhaupt erst bewusst zu werden. So fühlen sich die Frauen ermutigt, auch andere Praktiken zu hinterfragen, wie beispielsweise die Vergabe von verbrieften Landrechten. Diese kamen bisher ausschließlich den Männern zugute.
Malu und Machi sind Motivatorinnen in dem Projekt. Nach der Teilnahme an landwirtschaftlichen Schulungen geben sie ihr Wissen in zehn Selbsthilfegruppen weiter. Keine leichte Aufgabe für die beiden Frauen, denn die Männer müssen sich an selbstbewusste Frauen erst noch gewöhnen. „Die Männer haben uns am Anfang ausgelacht, deswegen haben wir zuerst mit den Frauen geredet", sagt Malu. „Und langsam haben uns die Männer akzeptiert. Die Trainings machen uns stark. Wir müssen für unsere Rechte kämpfen. Wir Adivasi-Frauen haben zum Beispiel keine Landrechte, dabei arbeiten wir genauso hart auf dem Feld wie die Männer. Das soll in Zukunft anders sein."
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