Draufsicht: Mit Kreativität für Kamerun

Draufsicht Bamenda tritt für Medienvielfalt und Frieden im kamerunischen Konflikt ein.
Ausgangssituation
Der Konflikt
Die seit mittlerweile drei Jahren anhaltende Krise im anglophonen Nord- und Südwesten Kameruns trifft in erster Linie die einfache Bevölkerung. Die Region hat sich zu einem Kriegsschauplatz zwischen dem Militär und den radikalisierten Milizen der Sezessionsbewegung verwandelt. Was als friedlicher Protest für ein gerechteres Bildungs- und Justizwesen im von der Zentralregierung strukturell vernachlässigten Teil des Landes begann, hatte im Verlauf der anhaltenden Gewalt zur Folge, dass mehr als 300 Dörfer abgebrannt, mehr als 5.000 Menschen ermordet und ca. 3.000 Menschen verhaftet wurden. Neben der daraus hervorgegangenen Lebensmittelknappheit und der Schließung von mehr als 80 Prozent aller Schulen greifen die Miliz- und Regierungstruppen massiv in sämtliche Bereiche der Menschenrechte ein. Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass fast 700.000 Bewohner*innen der anglophonen Regionen im französischsprachigen Teil des Landes und ca. 50.000 Menschen im Nachbarland Nigeria Zuflucht gesucht haben.
Massive Einschränkungen in der Presse- und Medienfreiheit
Eine neutrale und auf die Folgen der Katastrophe ausgerichtete Berichterstattung ist äußerst selten. In Deutschland ist sich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung über das tatsächliche Ausmaß des Konflikts bewusst. Die kamerunische Regierung hat die Pressefreiheit im Land deutlich eingeschränkt und lässt unabhängige Journalist*innen entweder verhaften oder verfolgen. Obwohl sich schockierende Fotos und Videos von Verbrechen der Anhänger des Militärs und der Milizen rasend im Internet verbreiten, kann die Authentizität dieser Meldungen häufig nicht garantiert oder der Ursprung der Bilder eindeutig nachvollzogen werden. Beide Seiten des Konflikts bedienen sich propagandistischer Strategien im Kampf um die Deutungshoheit des Geschehens.
Deshalb setzt sich SODI gemeinsam mit dem Filmkollektiv Draufsicht Bamenda für die Produktion von Medien ein, die die Stimmen derjenigen aufgreifen, die sich einfach nur nach Frieden sehnen. Um auch hier in Deutschland aktiv werden zu können, bedarf es einer Berichterstattung von unten, die Informationen ohne Interessens- und Machtkalkül bereitstellt.

Geplante Maßnahmen
Die ehrenamtliche Gruppe Draufsicht Bamenda produziert seit Anfang 2017 Filme und Radiosendungen, die sich für ein friedliches und konstruktives Miteinander stark machen. Damit wollen sie auch in angespanntester Lage weitermachen. Ohne sich auf eine der Seiten im Konflikt zu schlagen, erzählen die jungen Erwachsenen die Geschichten von denjenigen, die Familienmitglieder oder ihr Zuhause verloren haben. Die Mitglieder des Kollektivs erhalten Schulungen in den Bereichen Friedens- und Community-Journalismus, bei der Überprüfung von Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt und hinsichtlich der konfliktsensiblen Kommunikation mit Protagonist*innen. Sie selbst bieten für unterschiedliche Zielgruppen einen Raum für die emotionale Aufarbeitung von Erlebnissen, zum Beispiel mittels Theater-Workshops oder Übungen gewaltfreier Kommunikation. Ziel ist es zudem, ein solidarisches Netzwerk zu gründen, das junge Menschen im gemeinsamen kreativen Prozess zur aktiven Mitgestaltung der Gesellschaft einlädt. Die gesammelten Informationen und Medienerzeugnisse aus dem Konfliktgebiet fließen ein in die Bildungsarbeit von SODI in Deutschland und stehen allen offen, die sich im Rahmen der Friedensförderung in der Region engagieren möchten.
SODIs Partner vor Ort: Pedagogic In-Service Training Programme (ISTP)
ISTP wurde 1994 mit dem Ziel gegründet, den Unterricht an den englischsprachigen Schulen in den Regionen Nordwest und Südwest von Kamerun zu verbessern. Das Team aus neun Mitarbeitenden ist für über 300 Vor- und Grundschulen sowie für 34 weiterführende Schulen zuständig.
Mit der Realisierung von Draufsicht Bamenda setzt ISTP auch Projekte der außerschulischen Bildung um. Die Gruppe agiert jedoch größtenteils unabhängig unter der Leitung von Dzebam Godlove, der 2015 einen Freiwilligendienst bei SODI absolviert und seitdem die Kooperation mit dem Bildungsprogramm, insbesondere dem Team von Draufsicht Berlin vorangetrieben hat.