Kindergärten für die Zukunft
In den Bergdörfern im Süden von Laos leben die Menschen in großer Abgeschiedenheit und oftmals unterhalb der Armutsgrenze. Es mangelt an stabiler Infrastruktur, Kenntnissen über nutzbringende Landwirtschaft und Bildung im Allgemeinen. Durch die Errichtung von Kindergärten, die frühkindliche Bildung fördern und Mittagessensangebote anbieten, soll die Grundlage für eine nachhaltige Zukunft der Kinder, ihrer Familien und der Dorfgemeinden geschaffen werden.
Die Synergien der Armut
In Laos konzentriert sich die Armut insbesondere auf Subsistenzbäuer*innen und Angehörige ethnischer Minderheiten. Sie steht zudem im engen Zusammenhang mit den geographischen Bedingungen. Viele Haushalte in abgelegenen, bergigen Regionen ohne Anschluss an das Straßennetz leben unterhalb der Armutsgrenze. Durch die Abgeschiedenheit der Dörfer und die schlechte Infrastruktur ist der Zugang zu Bildung und Gesundheitseinrichtungen erschwert. Dies hat zur Folge, dass kaum ärztliche Untersuchungen stattfinden und der Gesundheitszustand der Kinder den Familien nicht bekannt ist. Es fehlt an Wissen über Gesundheitsprävention und ihrem Zusammenhang mit Ernährung und Hygiene im Allgemeinen. Es mangelt an grundlegenden Kenntnissen über das Betreiben einer ganzjährigen und resilienten Landwirtschaft, welche den Dorfbewohner*innen ein stabiles Einkommen und eine Grundversorgung bieten könnte. Für die sozioökonomische Situation kommt erschwerend hinzu, dass in den Bevölkerungsgruppen ethnischer Minderheiten kaum Laotisch gesprochen wird, sondern der jeweiligen Bevölkerungsgruppe entsprechend die eigene ethnische Sprache. Laotisch als Amtssprache ist aber entscheidend für die Teilhabe am weiterführenden Bildungsweg. Die Sprache wird erst im Kindergarten oder der Schule gelernt. All dies hat hohe Analphabetenraten zur Folge und schafft zusätzliche Hürden, dem Unterricht zu folgen.
Die Situation in der Provinz Salavan
Die Projektprovinz Salavan gehört zu den am wenigsten urbanisierten und zu den ärmsten Regionen des Landes: Fast 90% der Bevölkerung leben in ländlichen Gebieten, von denen 10% nicht durch Straßen erschlossen sind. In der gesamten Provinz gehören etwa 90% der Menschen ethnischen Minderheiten an: Neben zahlreichen anderen, sind unter ihnen insbesondere die Katang, die Pako oder die Ta Oi vertreten. Ein Drittel der Kinder ist unterernährt, annähernd die Hälfte ist nicht altersgerecht entwickelt. Nur 1/6 der Kinder im Alter von 3 bis 5 Jahren besucht eine frühkindliche Bildungseinrichtung.
Fehlende Bildung und Ressourcen in den Familien
Insbesondere Mädchen bleibt der Zugang zu den Kindergärten verwehrt, da in den Familien traditionelle Überzeugungen und Gewohnheiten vorherrschen. Zudem ist kein Geld vorhanden, um die Kinder auf ihrem Bildungsweg mit Schulkleidung und Lernmaterial auszustatten. Hinzu kommt, dass das Wissen über die Zusammenhänge von frühkindlicher Bildung und der Förderung der körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Entwicklung der Kinder fehlt.
Desolater Zustand in den Betreuungseinrichtungen
Die laotische Regierung ist bemüht, ein landesweites qualifiziertes Programm zur frühkindlichen Bildung durch pädagogisches Fachpersonal einzuführen, jedoch erreicht dieses nur die urbanen Regionen. In den ländlichen Regionen kommt davon kaum etwas an. Für ausgebildetes Personal aus der Stadt sind die Lebensbedingungen auf dem Dorf in den einfachen Verhältnissen oft nicht attraktiv. Die fehlende Kenntnis der Sprachen der ethnischen Minderheiten vor Ort lassen entweder ein Gefühl von Fremdheit aufkommen, was die Entscheidung für einen Umzug aufs Land zusätzlich hemmt, oder sie verunmöglichen, dass die Lerninhalte die Kinder erreichen. Entsprechend ist der Betreuungsschlüssel in den Einrichtungen des Projektgebiets sehr gering und liegt bei einer fachlich ausgebildeten Person zu 30 Kindern. Erschwerend kommt hinzu, dass die Betreuungseinrichtungen in einem schlechten baulichen Zustand sind, es meist keine Wasserversorgung oder sanitäre Anlagen gibt und kein Mittagessen angeboten wird. Das führt dazu, dass ältere Geschwisterkinder, die schon die Grundschule besuchen, ihr dort erhältliches und rationiertes Mittagessen mit den kleinen Geschwistern teilen müssen.
Durch diese strukturell bedingten Chancenungleichheiten im Bildungssystem, die bereits im frühkindlichen Alter beginnen, haben die Angehörigen der ethnischen Minderheiten keine Möglichkeit, intergenerationale Armut zu überwinden. Nur wenige junge Menschen schaffen es, einen höheren Bildungsabschluss zu erlangen, um eine nachhaltige Verbesserung ihrer sozioökonomischen Position zu erreichen.
Maßnahmen
GLAD hat dieses Wirkungsgefüge erkannt: Die frühkindliche Bildung dient nicht nur der Vorbereitung auf den erfolgreichen Eintritt in die Schule, sondern ist zum Überwinden dieser mehrdimensionalen Faktoren für Armut essenziell. GLAD und SODI haben sich zum Ziel gesetzt, durch frühkindliche Bildung für marginalisierte ländliche Gemeinden in der Provinz Salavan eine inklusive, gerechte, hochwertige Bildung, eine Bildung für alle, zu gewährleisten und damit einen Teil zur Erreichung des SDG 4 (Hochwertige Bildung) – eines der 17 Ziele, die bis 2030 zu erreichen sich die UN verständigt hat – beizutragen.
Bedarfsanalyse
Dafür soll in den sieben Dörfern der Region – Tuk Luk, Dindak, Lahang, Achungyai, Meokao und Meophatthana – ein qualifiziertes Programm zur frühkindlichen Entwicklung (early childhood education – ECE) in den Kindergärten etabliert werden. Die Einrichtungen sollen von mindestens 70% der 630 Kinder in den Dorfgemeinden besucht werden. Die Kinder sollen außerdem ein ausgewogenes Mittagessen erhalten. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Bedarfsanalyse ergeben, dass es eine Vielzahl an Schulungen, die Errichtung und Sanierung von Kindergartengebäuden und eine integrative Einbeziehung der Familien, Gemeinden, Dorfkomitees und Bezirksbehörden braucht.
Kindergärten als Orte der Versorgung und Vorsorge
GLADs Ziel ist es, Kindergärten als Wiege für Bildung, Essensversorgung und Gesundheitsvorsorge zu etablieren. Konkret sind dafür der Neubau und die Möblierung von vier Kindergartengebäuden sowie die Renovierung von drei bereits bestehenden Einrichtungen geplant. Es werden Spielplätze errichtet und begrünt sowie Seifen und Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt, um die hygienischen Verhältnisse zu bessern. Kinder werden unter Begleitung Hygienepraktiken erlernen. All das schafft eine Ausgangsbasis für eine gesundheitsfördernde Umgebung. Zudem werden zweimal jährlich Gesundheits-Check-Ups für die Kinder angeboten. Die Eltern werden im Anschluss über den Gesundheitszustand ihrer Kinder aufgeklärt und erhalten Empfehlungen, falls Behandlungen nötig sein sollten. Mit Hilfe von ausgeteilten Checklisten können Eltern und Gesundheitspersonal einen Überblick über den gesundheitlichen Zustand der Kinder erhalten und sind besser in der Lage, Krankheiten zu erkennen und angemessen zu reagieren.
Gesunde Ernährung
Das tägliche kostenfreie Mittagessen soll für die Eltern Anreiz schaffen, ihre Kinder in der Einrichtung anzumelden. Dafür werden Eltern informell zu freiwilligen Köch*innen ausgebildet – insgesamt 16 Personen pro Dorf – die in den Dorfkindergärten täglich wechselnd Mittagessen zubereiten. Insgesamt sollen die Freiwilligen für zehn Stunden pro Monat zum Einsatz kommen, der sich nach Bedarf und Kapazitäten auf die Kindergärten aufteilt. In fünftägigen Kursen, die eigens für das Projekt entworfen wurden, erwerben die Freiwilligen an kooperierenden Berufsbildungszentren (IVET) Kenntnisse über hochwertige Ernährung sowie die richtige Lagerung von Lebensmitteln. Weiterhin bekommen sie eine Einführung in die Zusammenstellung von einfachen Menüs unter Berücksichtigung der gegebenen Möglichkeiten. Ihre Erfahrungen können sie auch für ihre Familien zuhause nutzen und an andere Dorfbewohner*innen weitergeben.
Ernährungssicherung: Subsistenz mit Substanz
Die Lebensmittel, mit denen die Köch*innen arbeiten, werden aus der lokalen Produktion erworben. Im Zuge dessen werden 112 Personen aus den Dorfgemeinden durch Schulungen in der Nahrungsmittelproduktion sowie im Finanzmanagement ausgebildet, um erfolgreich landwirtschaftliche Kleinbetriebe zu führen. Mit Hilfe einer Anschubfinanzierung wird die Lebensmittelproduktion, deren Erzeugnisse die Kindergärten erhalten sollen, gestartet. Überschüssige Produkte können selbst genutzt oder weiterverkauft werden und die Erträge dem Familieneinkommen zugutekommen. Auf diese Weise wird der Wirtschaftskreislauf in den Dörfern gestärkt.
Selbstverwaltung durch Dorfkomitees
In jedem Dorf werden Dorfkomitees gebildet, die sogenannten Village Education Committee (VEC), die für die gesamte Koordination und das Management rund um die Kindergärten zuständig sind. Das beinhaltet auch die Verwaltung der revolvierenden Fonds, aus denen die Anschubfinanzierungen für die Neugründung der landwirtschaftlichen Kleinbetriebe ausgeschüttet werden. Der Fonds werden zu Beginn aus Projektmitteln gebildet. Durch die Zuführung von Rückflüssen aus dem Projekt in den Fonds werden keine weiteren Projektgelder benötigt. Somit bleibt auch nach Projektende das Kapital für die Neugründung von Kleinbetrieben gesichert. Aus den Rückzahlungen der Anschubfinanzierung in den Fonds, wird das Mittagessensangebot finanziert. Die Dorfkomitees sind zudem für den Einkauf der Lebensmittel, die Buchführung der Einnahmen und Ausgaben sowie für die allgemeine Instandhaltung der Kindergärtenausstattung und die Dienstpläne der Köch*innen verantwortlich. Auch sie erhalten Schulungen zum Finanzmanagement, die sie in die Lage versetzen, Budgets angemessen zu verwalten.
Schwerpunkt frühkindliche Bildung
Als wichtiges inhaltliches Vorgehen versteht es GLAD, die Kindergärtner*innen methodisch, pädagogisch und sprachlich für die frühkindliche Bildung – insbesondere für ethnische Minderheiten – auszubilden. Dafür sollen 14 Lehrkräfte geschult werden, die eine altersgerechte und bedarfsorientierte Erziehung anbieten und die sich in der lokalen Sprache verständigen. Die lokale ethnische Sprache soll durch Interaktion und den Alltagskontext angeeignet werden. Dabei sollen sowohl das bereits bestehende Fachpersonal eine Fortbildung in frühkindlichen Bildungsinhalten erhalten als auch angehende Erzieher*innen. Somit wird es zwei ausgebildete Fachkräfte pro Kindergarten geben, die nach dem staatlichen Curriculum der frühkindlichen Bildung arbeiten. Das entspricht dem Zielwert der Strategie zur frühkindlichen Entwicklung der laotischen Regierung, die eine Lehrkraft für 25 Kinder vorsieht. Die Aufstockung des Personals durch das Projekt gewährleistet damit einen angemessenen Betreuungsschlüssel. Des Weiteren soll das Sprechen der lokalen Sprachen den Erzieher*innen die Distanz zu den Kindern nehmen und einen leichteren Zugang zum Erlernen der laotischen Sprache ermöglichen sowie zu den bedarfsgerechten Inhalten. Laotisch zu sprechen ist essenziell, um an der Grundschule dem Unterricht folgen zu können.
Familien lernen mit
Zudem ist es wichtig, dass die Familien den Zusammenhang zwischen Ernährung, Gesundheit und Bildungschancen begreifen und sich der Bedeutung frühkindlicher Entwicklung bewusst werden. Dafür werden nicht nur Informationsmaterialien zu ECE entwickelt und an die Familien, Pädagog*innen und Dorfkomitees verteilt. Es soll eine Kampagne ins Leben gerufen werden, die den Zusammenhang zwischen guter Qualität von Lebensmitteln, Sauberkeit und Hygienemaßnahmen und der Entwicklung von Kleinkindern aufzeigt. Dazu werden jährlich 60 Eltern pro Dorf durch Mitarbeitende der Gesundheitszentren und durch Beamt*innen des Bildungsministeriums sensibilisiert. Bis zum Projektende im Jahr 2027 werden insgesamt 1.400 Eltern erreicht.
Gemeindeevents: Dialog und Begegnung
Die Bedeutung frühkindlicher Entwicklung wird auch durch Gemeindeevents unterstrichen. Es wird am Weltkindertag einen Tag des offenen Kindergartens geben, der Einblicke in das Tagesgeschehen der Kindergärten bietet sowie als Austauschmöglichkeit für Informationen dient. Es sollen Eltern, Erzieher*innen, die gesamten Dorfgemeinschaften aber auch Bezirksbehörden, Schulleitungen, Lehrkräfte und die Gesundheitszentren eingebunden und ein Dialog eröffnet werden. Somit leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag zur integrativen Dorfentwicklung.
Partnerorganisation
Die German Lao Association for Development (GLAD) hat sich zum Ziel gesetzt, die Befriedigung von Grundbedürfnissen in ländlichen Gemeinden durch integrierte Dorfentwicklung zu stärken. Dabei liegt der Fokus auf ethnischen Minderheiten, die in abgelegenen Bergdörfern leben und von mehrdimensionaler Armut betroffen sind. Um die Armut zu bekämpfen, Gleichstellung zwischen den Geschlechtern und den unterschiedlichen laotischen Bevölkerungsgruppen zu erreichen sowie Zugang zu Bildung und Gesundheitsprävention zu verbessern, setzt GLAD sein qualifiziertes Wissen zielgerichtet ein: Seit 2017 führte GLAD mehrere Projekte in den Bereichen integrierter Dorfentwicklung, Bau und Wartung von Gebäuen und Wassersystemen, fachliche Qualifizierung von Pädagog*innen und dem Einrichten von Angeboten zu gesunden Mahlzeiten durch.
SODI arbeitet seit 2013 mit GLAD zusammen. Seit 2020 wird gemeinsam mit dem Projekt „Armutsreduzierung und ländliche Entwicklung durch non-formale berufliche Bildung und Gründung lokaler Gewerbe“ (Laufzeit 2020 – 2024) ein weiteres Vorhaben umgesetzt, das ebenfalls u.a. im Distrikt Toumlan angesiedelt ist.