Soziale und ökonomische Inklusion in Taschkent
Yuksalish, Umidvorlik und SODI etablieren ein Sozialzentrum in Taschkent um der hohen Arbeitslosigkeit unter jungen Erwachsenen entgegenzuwirken. Es werden psychologische, rechtliche und soziale Beratungen angeboten. Zudem finden Schulungen zur Förderung der Lebens- und Berufskompetenzen statt, welche insbesondere jungen Menschen mit Behinderung oder in Krisensituationen, aus sozial benachteiligten Gruppen und Frauen den erfolgreichen (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben oder die Ausübung ihrer Bürgerrechte ermöglichen sollen.
Ausgangssituation
Die Arbeitslosenquote in Usbekistan ist hoch und hat sich durch die Pandemie weiter erhöht, während sich die Arbeitsmigration ins Ausland verringert hat. Viele junge Erwachsene, immerhin 24 Prozent der 16 bis 24-Jährigen und 26,4 Prozent der 16 bis 29-Jährigen, haben keine Arbeit oder absolvieren kein Studium (Weltbank 2021). Zudem fehlt es an Informationen über den Arbeitsmarkt, da u.a. Berufsberatungsangebote nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Es mangelt an dafür ausgebildeten Lehrer*innen sowie an Bildungs- und Informationsmaterialien an Schulen. Insbesondere kleinen Schulen fehlt die Kompetenz zur Förderung selbstbestimmter Berufsentscheidungen der Jugendlichen. Außerdem fehlt eine Koordination der Berufsberatung zwischen Schulen, Hochschulen und Arbeitsämtern.
Besonders betroffen von den Herausforderungen des Berufseinstiegs und den mangelnden Zugängen zu Beschäftigung, Beratung und Ausbildung sind unter den jungen Erwachsenen Menschen mit Behinderungen, Frauen, Menschen in Krisensituationen und Menschen aus anderweitig sozial benachteiligten Gruppen. In Usbekistan leben 630.000 Menschen mit Behinderungen. Von ihnen gelten 160.000, d.h. ca. 25% als „vermittelbar“, also fähig einer Ausbildung oder einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Laut UN-Erhebungen sind aber nur 44.730 (7,1%) der Menschen mit Behinderungen im Alter von 16 bis 59 Jahren offiziell beschäftigt (27.720 Frauen und 56.070 Männer).
Im Sommer 2021 hat Usbekistan das „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ (Convention on the Rights of Persons with Disabilities – CRPD) in Kraft gesetzt. Der Human Rights Report Usbekistan 2022 zeigt jedoch die deutlichen Diskrepanzen zwischen UN-Standards und der derzeitigen Praxis auf.
Maßnahmen
Die Vorbereitung junger Erwachsene auf das (Arbeits-)Leben ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben. In wirtschaftlichen Krisenzeiten mit hoher Arbeitslosigkeit und einem wachsenden Stadt-Land-Gefälle hinsichtlich beruflicher Zukunftsaussichten, ist die Unterstützung von Jugendlichen, die sozial benachteiligt sind, sich in Krisensituationen befinden und von Menschen mit Behinderungen besonders wichtig. Ziel des Projekts ist es daher, die Lebensqualität der besagten jungen Erwachsenen zu verbessern, indem sie befähigt werden, ihre Rechte wahrzunehmen und somit ihre privaten und beruflichen Perspektiven zu erweitern. Dies soll durch die Förderung ihrer beruflichen Fertigkeiten sowie durch die Entwicklung ihrer persönlichen, kreativen und kommunikativen Fähigkeiten erreicht werden. Dadurch können ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt und damit ihre Beschäftigungsaussichten gesteigert werden. Das Projekt umfasst Angebote für 1.000 Menschen im Alter von 18 bis 35 Jahren in Taschkent, die derzeit arbeits- oder erwerbslos sind, ihren Arbeitsplatz zu verlieren drohen oder derzeit durch persönliche Krisen nicht arbeitsfähig sind.
Dafür wird in der Hauptstadt ein Sozialzentrum in verkehrsgünstiger Lage für die jungen Erwachsenen eingerichtet. Während die klassische Vermittlung von Beschäftigungsmöglichkeiten in Usbekistan durch die zuständigen Arbeitsämter erfolgt, beziehen sich die Leistungen des Sozialzentrums primär auf die Vorbereitung der Zielgruppe auf die jeweiligen Jobs, d.h. auf die Erhöhung ihrer Beschäftigungsfähigkeit. Neun professionelle Fachkräfte und 100 Ehrenamtliche verschiedener sozialer Gruppen (Student*innen, junge Berufstätige, Mitglieder*innen von Jugendorganisationen) führen die Angebote durch.
Bei den berufsfördernden Angeboten handelt es sich im Einzelnen um…
- eine Hotline für junge Erwachsene in Krisensituationen (z. B. Arbeitslosigkeit, Burnout, Stressbewältigung), welche bei Bedarf zu einer Terminvereinbarung für eine psychologische, rechtliche und/oder soziale Beratung führen kann.
- eine Erstberatung und Problemerkennung für junge Erwachsene, die ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt erhöhen möchten, am Arbeitsplatz eine Krise erleben und/oder Unterstützung bei der Verwirklichung ihrer Rechte benötigen
- individuelle Programme und Schulungen zur Förderung der persönlichen Entwicklung (Selbstwahrnehmung, interpersonale Beziehungsfähigkeiten, Gefühlsbewältigung) und der Lebenskompetenzen (Kommunikation, Konfliktlösung, Entscheidungsfindung)
- individuelle Programme und Schulungen zur Förderung der Beschäftigung und Beschäftigungsfähigkeit (Berufsorientierung, Bewerbungstrainings, Gründungsberatung)
- den Erwerb und die Entwicklung praktischer Fähigkeiten im Bereich IT-Technologie
- den Erwerb handwerklicher Fähigkeiten im Holz-/Polstermöbel-/und Kunsthandwerk durch die Teilnahme an Ausbildungskursen im Sozialzentrum
- die Vermittlung an (öffentlichen und privaten) Ausbildungszentren zur Aufnahme einer Berufsausbildung
- die Bereitstellung praktischer Leitfäden für die Beschäftigung für junge Erwachsene (Rechtsvorschriften, praktische Ratschläge, Kontakte, Schritt-für Schritt- Anleitung zur Aufnahme einer Beschäftigung)
Über die direkten Schulungs- und Beratungsangebote der jungen Erwachsenen hinausgehend finden regelmäßig „Runde Tische“ statt, an denen sowohl Projektbeteiligte und Interessensvertreter*innen von Nichtregierungsorganisationen teilnehmen, die im Bereich von Menschen mit Behinderungen tätig sind, als auch von Sozialagenturen und Arbeitsämtern. Diese dienen der Vernetzung und des gegenseitigen Austausches sowie der Verbreitung des innovativen Ansatzes des Projekts, bei dem die Projektteilnehmenden ganzheitlich gefördert werden.
Partnerorganisation
Yuksalish-Bewegung
Die Yuksalish-Bewegung ist landesweit im Bereich der Menschenrechte, insbesondere für Menschen mit Behinderungen, für Jugendliche und Frauen, tätig. Dabei setzt sie sich für den Aufbau der kooperativen Kapazitäten und Fähigkeiten von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen bei der Umsetzung von staatlichen Programmen ein und bemüht sich um einen offenen Dialog mit der Bevölkerung, den Wirtschaftsunternehmen und gesellschaftlichen Akteuren.
Umidvorlik
Die Nichtregierungsorganisation leistet seit 1997 soziale Unterstützung für Kinder und junge Erwachsene mit verschiedenen Arten von Behinderungen durch Bildungsangebote vor Ort und Inklusionsprogramme. Sie ist überwiegend in der usbekischen Hauptstadt Taschkent tätig.
SODI ist erstmalig in Usbekistan aktiv. Yuksalish und Umidvorlik setzen das Projekt vor Ort gemeinsam um.
Ulrike Pusch
Programme Manager Country Area South East Europe, Belarus and Nicaragua
Ulrike.Pusch@sodi.de