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02. Okt. 2019

„Die fatale Doppelrolle der Gläubiger auflösen!“ – Abschlussveranstaltung der Kampagne „Macht & Ohnmacht“

SODI veranstaltete in Kooperation mit MISEREOR und dem Entschuldungsbündnis erlassjahr.de die Podiumsdiskussion „Die nächste globale Schuldenkrise“.

Bild von Podiumsdiskussion zu Macht und Ohnmacht
Jürgen Kaiser, Politischer Koordinator erlassjahr.de, auf dem Podium

© SODI

Der Saal war voll. Circa 80 Personen wollten mehr über das Ausmaß der aktuellen globalen Schuldenkrise und die politischen Handlungsmöglichkeiten erfahren. Profunde Kenner*innen der Situation waren der Einladung von SODI zum diskursiven Meinungsaustausch vor Fachpublikum und interessierten Bürger*innen gefolgt: Frau Dr. Elke Baumann, Referatsleiterin "Multilaterale Entwicklungsbanken/Umschuldungen/Pariser Club" im Bundesministerium der Finanzen stellte sich den Analysen und Thesen der Autoren des jährlich erscheinenden Schuldenberichts, Dr. Klaus Schilder vom katholischen Hilfswerk MISEREOR und Jürgen Kaiser vom Entschuldungsbündnis erlassjahr.de. Das rbb Kultur-Radio nahm die Veranstaltung zum Anlass, mit den Diskutanten einen Beitrag zu produzieren.

Dr. Klaus Schilder spricht auf Podium
Dr. Klaus Schilder, Referent für Entwicklungsfinanzierung bei MISEREOR © SODI

Das Ausmaß der globalen Schuldenkrise

Klaus Schilder stellte die aktuelle Schuldenkrise und ihre Hintergründe umfassend dar: 122 von 154 Ländern seien kritisch verschuldet und in ¾ dieser Länder habe sich die Situation zwischen 2014 und 2017 deutlich verschlechtert. Der afrikanische Kontinent sei am stärksten betroffen. (siehe auch: SODI-Veranstaltung „Afrika in der Schuldenfalle?“). Dort befänden sich 48 von 54 Ländern im Bereich kritischer Staatsverschuldung. 17 Staaten gelten als zahlungsunfähig, darunter die afrikanischen Länder Mosambik, Gambia, Sambia, Angola, und der Tschad. Am kritischsten sei die Staatsverschuldung jedoch in Bhutan, Bahrain, der Mongolei, Gambia, Kap Verde, Jamaika und dem Libanon. „Millionen von Menschen sind in ihrer Existenz bedroht, denn die Finanzmittel, die in den Schuldendienst fließen, stehen nicht mehr für soziale Daseinsfürsorge und Grunddienstleistungen bereit!“, machte Schilder dem Publikum deutlich.

Die Gründe der gegenwärtigen Krise, so der Referent für Entwicklungspolitik, seien vielschichtig: Hauptauslöser sei der weltweite Trend aus niedrigen Zinsen im Norden und der hohen Finanzierungsbedarf für Infrastruktur im Globalen Süden. Das habe auch die Gläubigerstruktur nachhaltig verändert. In Schwellen- und Entwicklungsländern konnten private Gläubiger Zinsen in einer Höhe erzielen, die institutionelle Anleger wie Versicherungen oder Pensionskassen bräuchten, um wie beispielsweise in Deutschland Riester-Renten oder andere Altersvorsorgen finanzieren zu können. Die privaten Gläubiger verzichteten angesichts lukrativer Renditeerwartungen vielfach auf seriöse Bewertungen der Ausfallrisiken. Vielfach vertrauten die Gläubiger darauf, dass der Rohstoffreichtum die Rückzahlung der Kredite schon möglich machen würde. Einige private Gläubiger hätten sogar aggressives loan-pushing betrieben und hilflosen Schuldnerländer zu weiteren Kreditaufnahmen gedrängt. So könne am Beispiels Mosambiks die Causa „illegitime Schulden“ diskutiert werden. (siehe auch: SODI-Veranstaltung „Schuldenkrise in Mosambik“). Wenn Kredite von Regierungen unter Außerachtlassung parlamentarischer Mitspracherechte unterzeichnet würden und der Nutzen für die Bevölkerung bestenfalls als marginal zu betrachten sei, sollte die internationale Staatengemeinschaft nach sinnvollen Alternativen zu den konventionellen Schuldendiensten suchen. Ein Lösungsansatz für derartig verfahrene Situationen könnten beispielsweise Schuldenumwandlungen zu Gunsten nachhaltiger Entwicklungsförderungen in diesen Ländern sein: Die Regierungsbehörden könnten die formal bestehende Schuld weiter bedienen. Empfänger wären aber nicht mehr die rechtsbrüchigen privaten Gläubiger, sondern ein zu einzurichtender „Fonds für soziale Entwicklung“ des Schuldnerlandes, der von der jeweiligen Zivilgesellschaft und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) verwaltet werden könnte.

Weitere Gründe für das Wiederanwachsen der Schuldenkrise seien eher länderspezifische Faktoren, wie die zu großen Abhängigkeiten von Rohstoffexporten, politische Instabilitäten oder auch die Auswirkungen von Naturkatastrophen. (siehe auch SODI-Veranstaltung „Nach den Erdbeben: Nepals Auslandschulden“). Kritisch zu betrachten seien auch die vielfach zunehmenden ÖPPs (Öffentlich-Private-Partnerschaften), bei denen die öffentliche Hand der Entwicklungsländer oftmals die Risiken der privaten Investoren übernehmen. Ein besonders drastisches Beispiel für diesen Missstand sei das „Queen Mamahoto Memorial Hospital“ in Lesotho, dessen Bau auf Anraten der Weltbank mit einer zugesicherten Rendite von 25 Prozent für das private Betreiberkonsortium erfolgte und seitdem die jährlichen Krankenhausbetriebskosten mehr als die Hälfte des jährlichen staatlichen Gesundheitsbudget kosten.

Wie ein Resümee klingend macht Schilder deutlich: „Die Schuldenkrisen führen in einen Teufelskreis aus immer mehr Armut und sozialer Ungleichheit und noch weiterwachsender Verschuldung. Mit den bisherigen politischen Maßnahmen gibt es keinen Ausweg.“ Handeln könne die internationale Politik durch die Einführung eines transparenten globalen Schulden-Registers als ersten Schritt, nachhaltiger wirkend aber durch die Einführung eines internationalen Staateninsolvenzverfahren wie es bereits 2014 von der deutlichen Mehrheit der Länder in der UN-Generalversammlung gefordert wurde (siehe auch SODI-Petition online „Ein faires und transparentes Insolvenzverfahren für Staaten einführen!“).

Dr. Elke Baumann, Referatsleiterin "Multilaterale Entwicklungsbanken/Umschuldungen/ Pariser Club" im BMF © SODI

Eine Politik der kleinen Schritte

Frau Dr. Baumann als Repräsentantin der bundesdeutschen Administration verwies in ihrem Statement auf das Finanzminister- und Weltbank-Treffen im Rahmen der G20 unter dem Vorsitz Japans. Das „Schuldenthema“ sei dort durchaus auf der Agenda gewesen. Drei Punkte seien dort im Wesentlichen verfolgt worden. Zum einen verfolgten IWF und Weltbank einen sogenannten „mehrgleisigen Ansatz“, der auf mehr Transparenz abziele und Schuldnerländern hierfür zukünftig mehr technische Hilfe zukommen lasse. Wichtig sei, dass Schuldnerstaaten wissen wie sie mit Schulden umzugehen hätten, wie die Daten zu registrieren seien, damit die Schuldentragfähigkeit angemessen beurteilt werden könne. Dann könnten den ärmsten Ländern – wie es die Bundesregierung bereits praktiziere – statt Krediten Zuschüsse gegeben werden.

Ferner verwies Baumann auf die „Operational Guidelines for Sustainable Financing”, das seien Richtlinien für eine verantwortungsvolle Kreditvergabe, die unter der deutschen Ratspräsidentschaft der G20 entworfen wurden und beide Seiten – die Gläubiger wie Schuldner – ansprechen würden. In diesem Jahr hätten IWF und Weltbank eine freiwillige Umfrage unter den Kreditgebern durchgeführt, die darauf abzielte, dass insbesondere die Gläubiger ihre Anstrengungen für mehr Transparenz, Informationenaustausch und die Sicherstellung von konsistenten Verschuldungsgrenzen verstärken werden. Wichtig sei, dass auch die Geber ihre Informationen und Daten zur Verfügung stellen. So werde jede Kreditvergabe durch die Bundesregierung stets an IWF und Weltbank gemeldet. Gleichwohl aber sollte auch jedes Schuldnerland dort seine Kreditaufnahme melden.

Als dritten wichtigen Punkt stellte Baumann die Verpflichtung des „International Institute for Finance“ (IFF) zu mehr Transparenz durch die G20 vor. Der weltweite Verband der Banken und Finanzinstitute solle für die privaten Gläubiger ein zentrales Register für deren Kreditvergaben anlegen. Das Reporting für die privaten Gläubiger sei allerdings freiwillig. „Das mögen vielleicht sehr kleine Schritte sein, aber es sind immer sehr inkrementelle Punkte, die man machen kann.“, kommentierte sie die politische Vorgehensweise der G20. Abschließend verwies sie auf das Interesse des „Pariser Clubs“ China, Indien und Südafrika aufnehmen zu wollen. Noch seien diese Länder keine Mitglieder des Gläubiger-Forums, aber sogenannte „adhoc-Teilnehmer“ an bestimmten Sitzungen. Dort sollten sie lernen, wie Kreditgeber verantwortungsvoll handeln.

Ein Déjà vu des „Too little too late!“

Für Jürgen Kaiser haben das aktuelle Schuldenszenario und der politische Umgang damit sehr viele Ähnlichkeiten mit der Situation der ersten Hälfte der 90er Jahre. Die Schuldenkrise der „Dritten Welt“ war bereits da, die Mexiko-Krise brach aus, der IWF tagte mit der Weltbank in Berlin ohne wesentliche Entscheidungen herbeizuführen. „Im Pariser Club gab es homöopathische Möglichkeiten der Schuldenerleichterungen für einige der allerärmsten Länder. Dieser redete mal von 33, mal von 50 Prozent Schuldenerleichterung beim laufenden Schuldendienst. Das half aber Ländern wie beispielsweise Ruanda, dessen Verschuldung 1200 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt betragen hat, überhaupt nicht. Der Senegal hatte so vierzehnmal umschulden müssen. Es gab ein absurdes Missverhältnis zwischen den Zugeständnissen der Gläubiger und dem was die Länder wirklich brauchten und später mit den Entschuldungsinitiativen HIPC/MDRI auch bekommen haben. Sogar der IWF bezeichnete die Maßnahmen als `too little to late!`“, meint Kaiser. So macht er in der heutigen wie damaligen politischen Debatte ähnliche Buzzwords aus: „Mehr Transparenz“, „freiwillige Regeln für eine bessere Kreditvergabe“, „Koordination zwischen unterschiedlichen Gläubigergruppen“. „Das haben wir alles schon einmal gehört. Das waren Stichworte, die kamen in der damaligen Diskussion auch schon vor“, meint der politische Koordinator von erlassjahr.de.

So ist für Kaiser und die Mitstreiter*innen im Entschuldungsbündnis – SODI ist eine dieser Organisationen – die Auflösung der fatalen Doppelrolle der Gläubiger entscheidend: „Die Gläubiger mögen legitime Forderungen haben, aber sie sind auch Richter in eigener Sache. Die Gefahr ist ziemlich groß, dass ohne ein Paradigmenwechsel die Schuldenkrise im Globalen Süden absehbar hochkocht, wenn sie in dieser Doppelrolle bleiben und das Monopol behalten über den Umgang von Schuldenkrisen zu entscheiden. Das ist die zu stellende Frage, an der sich der Ausgang der Krise entscheiden wird!“

Diesen interessanten Inputs folgte eine sehr angeregte Diskussion zwischen Publikum und Expert*innen. Der Solidaritätsdienst International beendete mit dieser vierten erfolgreichen Veranstaltung die Diskussionsreihe „Macht & Ohnmacht“. In der globalen Klimadebatte dieser Tage greifen international protestierende Jugendbewegungen die seit 50 Jahren bekannte Thesen von Expert*innen auf und konfrontieren eindrücklich die Politik mit ihrem unbedingten Wunsch, dass endlich gehandelt werde, begleitet von Wohlwollen und Sympathie großer Teile der älteren Generationen. Eine tiefgreifende Korrektur im globalen Finanz- und Schuldensystem ist sicherlich nicht weniger wesentlich. Wir dürfen gespannt sein auf den Tag, an dem die Zusammenhänge von Klima- und Finanzpolitik von den jüngeren Generationen erkannt und auf die Straße getragen werden wird.

Weitere Informationen:

„Droht die nächste globale Schuldenkrise“ rbbKultur-Radiobeitrag, 6.9.2019

Operational Guidelines for Sustainable Financing

Institute of International Finance

 

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